Cat Ba

Wunderbar gemächlich sticht die Fähre in See. Im selben Maße, wie die Schroffheit der Felswände aus verkarstetem Kalkstein das glatt gewellte Meer durchbricht, so rabiat beendet ihre Schrittgeschwindigkeit das Tosen des Fortschritts, das in unseren Ohren noch nachhallt. In Form von LKW-Hupe und Moped-Auspuff malträtierte es uns pausenlos während der vorangegangenen Wochen auf der Landstraße. Der Frust, als einsame Hüter der Bescheidenheit die Abgase eines entfesselten Wachstums am eigenen Leib nicht nur zu erfahren, sondern tagein, tagaus fressen zu müssen, hat tiefe Spuren hinterlassen. In unseren Lungen, wie in unserem Seelenfrieden.

Wie ein Befreiungsschlag fühlt sich da der frühe Morgen an, an dem wir Halong verlassen für das irdische Paradies von Cat Ba. Nicht Halong verlassen wir, sondern gleichsam alle X 264, alle S 13, alle QL-17. Wie die Straßen des hektischen chinesisch-vietnamesischen Aufschwungs auch heißen mögen – Mit dem genüsslichen Mittelfinger der muskelbetriebenen, völligen Unabhängigkeit verlassen wir in Gesellschaft eines belustigten Mopedtaxifahrers, der das Ausrollen der Liegeräder übernimmt, die Gefilde des Krachs. Er soll übrigens nicht der einzige bleiben, dieser Froschkönig, der es sich in unseren fahrenden Liegestühlen bequem macht. Während unserer Zeit in Vietnam bleibt es eine Überraschung, wenn ausnahmsweise niemand in ihnen Platz nimmt oder eine Runde dreht, haben wir sie einmal eine Sekunde aus den Augen gelassen. Apropos lassen: Wir lassen die Fähre hinter uns und tauchen ein in die mysteriöse Insel „straight out of Jurassic Park“, wie es der berühmte Reiseführer für Backpacker treffend formuliert.

Dass an Cat Bas anderem Ende eine in Stahlbeton gegossene Seelenlosigkeit von Hotelmeile wartet, stört uns nicht. Wir springen mitten rein in den Service und lassen uns von banana pancake, Tiramisu-Eis und Mangolassi gerne bestechen – wir haben sie uns schließlich verdient. Ob instant oder frisch, sechs Wochen seit Hongkong, sechs Wochen Nudelsuppenmartyrium sind einfach genug!

8 Kommentare

  1. Karin

    1 Beitrag von einem Tag. Ich bekomme den Eindruck als ob Schreiber und Fotograf uns eine wochenlange Reise schildern, da jede Zeile und jedes Bild extrem aussagekräftig sind. Ich bin einfach fasziniert.

  2. jan

    da erkenn ich doch monkey island, wenn ich mich nicht irre. carina und ich haben monkey warfare auf monkey island angeschaut als sich draußen sinnflutartige wassermassen auf unser strohdach niederließen

    • hehe… der mann vom filmabend hat sogar gegen den monsun immer einen trumpf im ärmel…
      ironischerweise machte uns ausgerechnet eine erkältung immun gegen die armada von bootstour-promotern – wir pendelten, nach dem auf den fotos zu sehenden tag im nationalpark, nur zwischen zimmer und restaurant.

  3. gisabuehner

    „Der Frust, als einsame Hüter der Bescheidenheit die Abgase eines entfesselten Wachstums am eigenen Leib nicht nur zu erfahren, sondern tagein, tagaus fressen zu müssen, hat tiefe Spuren hinterlassen. In unseren Lungen, wie in unserem Seelenfrieden“.

    Großartige Beschreibung, entsetzlicher Inhalt.
    Wahnsinniger Gegensatz in sich selbst.

  4. romikommentiert

    Befreiung von China!

  5. Stefan Höll

    Coooooole Fotos! Wow!

  6. Revesz

    Ich dachte, nur Ungarn setzen sich in fremde Autos, Theaterstuehle, Baenke

  7. Pingback: Der Atlantik | Gut gelaufen

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