Ein Cocktail der Empfindungen ist er, unser Iranaufenthalt. Aufenthalt – ein treffender Begriff, denn vorzustellen, uns in einem solch geknechteten Land jemals niederzulassen, können wir uns nicht. Auf der einen Seite sind wir völlig sorgenfrei. Die Menschen behandeln uns mit gebührendem Respekt und überwältigender Herzlichkeit. Allerorts werden wir mit besonderem Interesse und großer Wertschätzung empfangen. Eine Behandlung, die andernorts nicht einmal Popstars und Berühmtheiten genießen. Wir fühlen uns sicher. Wir werden umsorgt, bekocht, chauffiert, eingeladen, unterhalten – Von wildfremden Menschen, die blitzschnell zu Freunden werden.
Zeit, Freunde, keinerlei Geldsorgen – Wir haben alles, was man zum Glücklichsein braucht, sollte man meinen. Mit einer Ausnahme, einer wesentlichen Ausnahme, die alles überschattet. Denn was macht man mit seiner Freiheit, wenn man sie nur an einem einzigen Ort ausleben kann – im privaten Raum hinter den Vorhängen?
Fast alles Spannende, was Jugendliche und junge Erwachsene mit ihrer Zeit anfangen, ist verboten. Discos sind nicht erlaubt, das ist zu erwarten in einer islamischen „Republik“. Aber auch Bars gibt es nicht. Selbst Caf´es, in denen man draußen sitzt, sucht man vergeblich. Konsum, einzig allein aus Kurzweil und Lebenslust, das passt nicht ins Bild. Teehäuser und Restaurants sind dem Regime jedoch genehm, hier befriedigt man schließlich elementare Bedürfnisse, man wird satt. Diese Einrichtungen sind stets drinnen. Das mag am Klima liegen. Aber Draußen, das ist auch da, wo Geheimdienst und Sittenwächter lauern. Zu Hause – das ist bei uns der Ort, wo nichts passiert. In Iran passiert nichts unterwegs.
Konzerte sind selten. Wenn sie stattfinden, hört das Publikum still an Tischen sitzend zu. Tanz aller Art ist verboten. Wer sich amüsieren will, muss unter großem Risiko eine private Veranstaltung abhalten. Freunden traut man frühestens nach einem Monat, der Geheimdienst ist mächtig.
Baden gehen darf man nur in vereinzelten, sichtgeschützten Bereichen, die selbstverständlich nach Geschlechtern getrennt sind und zu beiden Seiten abgesperrt.
Versammlungen – Also alles, wo mehr als 10 Personen zusammenkommen – sind offiziell verboten, weil Tanz, Gesang und Party gegen die „guten Sitten“ verstoßen. Inoffiziell kennt man die Furcht des Regimes vor Protesten wie der brutal erstickten grünen Revolution vor zwei Jahren. Jeder Gesang kann schnell zum politischen Schlachtruf werden, jede Party zur Demo mutieren. Vereinzeltes öffentliches Aufblitzen von Lebensfreude ist zu erkennen, wenn mutige Jugendliche am Donnerstag Abend ihre Autoradios aufdrehen und im Kreis von einigen Wenigen ein paar Tanzschritte wagen. Länger als anderthalb Minuten dauert das Spektakel meist nicht, es ist Aufregung genug.
Resigniert, entmutigt, eingeschüchtert – so hält man die Jugend einer ganzen Nation in Schach.
Der Text zusammen mit den Bildern – perfekt.
ich kann`s förmlich riechen. und freue mich, dass ich auf der strasse singen und tanzen kann.
was wiederum nicht sehr oft geschieht.
Worauf wartest du? Ab auf die Reeperbahn!
(Anekdote: O-Ton ein Iraner auf der Straße: „Oh, Hamburg! Yes, I know street there, very bad street, I not say name“…)!
Echt jetzt! Das macht uns doch stolz, oder?
uns Hamburger?
Ich ersticke schon beim Lesen.
Und ich rieche es auch.
tolle Bilder, toller Text; ganz d’accord mit Romi!!