Herzlich günstig

200 Dollar haben wir umgetauscht. Gut möglich, dass wir es nicht schaffen, sie in den drei Wochen im Iran auszugeben. Zu oft werden wir eingeladen. Kostprobe: Die ersten Tage in Täbriz, bei Amin und seinem besten Freund Aras, sind gratis. Schlafen bei Amins Eltern, Essen zu Hause oder im Restaurant, wo abwechselnd Amin und Aras zahlen. Durch die Gegend fahren wir mit den beiden. Auch eine iranische SIM-Karte fürs Handy schenken sie uns – Sie ist Gold wert. Für Ausländer normalerweise unmöglich zu erstehen, erlöst sie uns von den horrenden Roaming-Gebühren. Eine Minute telefonieren mit dem österreichischen Handy kostet – festhalten – gesalzene vier Euro vierzig.

Die zweieinhalbstündige Fahrt im Taxi von Täbriz nach Ardabil schließlich zahlen wir endlich selbst, denn zwischen den Orten ist kein Gastgeber für uns verantwortlich. Zweieinhalb Stunden Taxi, das ist unbezahlbar, denkt der gemeine Mitteleuropäer, und irrt – Für die drei Plätze, also die gesamte Rückbank, die wir luxuriöserweise für uns reservieren, berappen wir lediglich 15 Dollar. In Ardabil übernehmen die fürsorglichen Hände von Amins Onkel Babak die Aufgabe, für uns zu sorgen. In seiner möbellosen Wohnung nächtigten wir auf kostbaren Teppichen. Außerdem schlafen dort Mohammed, ein aufmüpfiges, aber uns gegenüber sehr zurückhaltendes Einzelkind, das trotz seines zarten zehnjährigen Alters die Nächte computerspielend durchzockt, und Leila, eine sympathische Hausfrau, die kein einziges Wort Englisch spricht. Babak ist Beamter im Bildungsbereich. Er kann verhältnismäßig gut Englisch, zumindest schreiben. Fahrten und Eintrittskarten zahlt er – keine Widerrede. Fünf Stunden Busfahrt ans kaspische Meer, nach Bandar Anzali, geht einen Tag später wieder auf unser Konto. Kostenpunkt: 15 Dollar für zwei Tickets. Wir versuchen uns nach der Ankunft durchzufragen nach der Straße mit den Hotels, denn das Verkehrssystem mit den billigen geteilten Taxis und den teuren Individual-Taxis haben wir noch nicht ganz verstanden. Ein schmieriger Typ möchte uns seine „Villa“, eine Art Gästehaus, andrehen. Wir sind müde von der pausenlosen Fahrt im alten engen Bus, von der offenen Tür, von vielen Straßenkontrollpunkten, von hunderten Geschwindigkeitsbegrenzungsschwellen, von Millionen Schlaglöchern, wollen nur noch ein Zimmer für uns und gehen mit, einen Blick ist es immerhin Wert. Der Weg zieht sich, der Typ ist komisch, wir rufen unseren Kontakt in Täbriz an, um um Aufklärung zu bitten, wohin es geht und wie wir die Situation geschmeidig wieder auflösen. Kaum wählt das Handy die Nummer, hält ein Auto mit jungen Leuten neben uns. Es ist die Gruppe, die wir kurz vorher nach dem Weg gefragt hatten. Sie nehmen das Handy, sprechen mit Aras, er übersetzt: Sie sind Studenten aus Teheran, und würden sich sehr freuen, wenn sie uns zu sich nach Hause einladen dürften, in eine WG in Rashd, wo sie gerade Urlaub machen. Sie wirken sehr nett, auch Aras sagt, wir könnten ihnen vertrauen. Bingo – Der nächste Kontakt ist hergestellt, der nächste kostenlose intensive Einblick in die Kultur, die nächsten lustigen Momente, die nächsten Einladungen zum Essen, die nächste liebe Unterkunft bei jemandem zu Hause. Iraner sind Familie ohne Verwandtschaftsgrad; in Persien leben 65 Millionen Couchsurfer ohne Account.

2 Kommentare

  1. Romi

    Für solche Momente lohnt sich doch das Aushalten einer pausenlosen Fahrt in alten engen Bussen mit offenen Türen, Straßenkontrollpunkten, Geschwindigkeitsbegrenzungsschwellen und Schlaglöchern.

  2. Vincent

    Danke, dass Ihr das mit uns teilt. Ich finde das super-spannend. Weiter so!!!

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